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Autorinnen: "Die Kümmerfalle", Bild: Gudrun Senger

Lesung mit Britta Sembach: Die Kümmerfalle

Die Autorinnen Susanne Garsoffsky und Britta Sembach haben nach „Die Alles ist möglich-Lüge“ (2014) und „Der tiefe Riss“ (2017) nun ihr drittes Buch zusammen verfasst: „Die Kümmerfalle“. Ihr Thema ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Umgang mit Fürsorge-Arbeit (Care-Arbeit) in unserer Gesellschaft.

Klare Verlierer sind: Frauen. Sie übernehmen noch immer den größten Teil der Fürsorge-Arbeit in der Ehe, bei der Kinderbetreuung oder der Pflege Angehöriger. Und sie stecken dafür im Beruf zurück – mit verheerenden Folgen für ihre Unabhängigkeit und finanzielle Absicherung bis ins Alter.

Britta Sembach liest bei Paula Panke, Bild: Paula Panke
Britta Sembach liest aus “Die Kümmerfalle, Bild: Paula Panke

Britta Sembach, selbst Mutter und Pankowerin, hat am 8. November 2022 im Frauenzentrum Paula Panke aus dem neuen Buch gelesen. Hat sich etwas verändert seit Erscheinen des ersten Buchs? „Eigentlich nicht“, antwortet sie und fügt hinzu, „Wir (Autorinnen) nennen uns selbst scherzhaft immer ‚die Negativistinnen‘. Aber eigentlich sind wir die Realistinnen…“

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Das neue Buch „Die Kümmerfalle“ steckt voller Fallen: die Scheidungsfalle, die Gleichmachfalle, die Kümmerfalle und die Rollenfalle. Zum Glück beschreibt es am Ende auch Wege aus der Kümmerfalle.

Die Scheidungsfalle oder das „Frauen-Wegwerf-Gesetz“
Einer gleichberechtigten Gesellschaft stehen in Deutschland massive strukturelle Probleme im Weg:

  • Das Steuerrecht setzt auf Alleinverdiener-Ehen.
  • Das Scheidungsrecht bestraft Fürsorge.
  • Pflege ist Privatsache und
  • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine glatte Lüge.

Das aktuelle Scheidungsrecht bezeichnen die Autorinnen als „Frauen-Wegwerf-Gesetz“. Denn die Reform des Unterhaltsrechts 2008 stürzt vor allem Frauen in Armut, die Fürsorgearbeit geleistet und nicht oder nur in Teilzeit gearbeitet haben. Denn die Unterhaltsverpflichtungen wurden damit massiv gekürzt und der geringe Unterhalt wird in der Praxis oft nicht bezahlt. Die Lebensrisiken für Partner*innen mit einem höheren Anteil an Fürsorge-Arbeit sind nicht abgesichert und das, obwohl niemand ohne Fürsorgearbeit leben kann.

Die rationale Absicht der Gesetzgeber*innen dahinter, vor allem Frauen schnell wieder ins Berufsleben zurückzuholen, ging nicht auf. Frauen, die Fürsorge-Arbeit leisten wollten, blieben trotz aller Nachteile zu Hause. Ihr Verhalten als irrational zu bezeichnen, hilft da nicht weiter. Wichtiger ist es anzuerkennen, dass es bei Menschen das Bedürfnis gibt, Fürsorge-Arbeit zu leisten und dieses Bedürfnis auch finanziell anzuerkennen.

Weil Fürsorge-Arbeit an keiner Stelle gesetzlich anerkannt und wirtschaftlich eingepreist wird, führt sie in vielen Fällen zu einem prekären Leben für die Person, die die Fürsorgearbeit leistet. Das sind überwiegend Frauen. Daher ist Altersarmut weiblich.

Aufgabe der Politik muss es sein, so schnell wie möglich Fürsorge-Arbeit als Arbeit anzuerkennen und finanziell zu bewerten. Bis dahin sei allen Personen, die sich mehr Fürsorge-Aufgaben widmen wollen, dringend empfohlen „einen Fuß im Job zu behalten“, empfiehlt Britta Sembach.

Die Gleichmachfalle
In einer patriarchalen Gesellschaft werden Frauen und andere marginalisierte Gruppen systematisch schlechter gestellt als Männer. Das zeigt sich auch in der ungleichen Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Der sogenannte Gender Care-Gap beziffert die Lücke, die es zwischen den Geschlechtern bei der Aufteilung von Kindererziehung, Hausarbeit, Pflege von Angehörigen und Ehrenamt gibt. Danach wenden Frauen in Deutschland pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Fürsorgearbeit auf als Männer. Bei Familien mit betreuungspflichtigen Kindern liegt der Unterschied sogar bei 83,3 Prozent.

Während der Corona-Pandemie wurden die Unterschiede sogar noch deutlicher: 86 Prozent der zuhause arbeitenden Männer fühlten sich nicht für die Aufgaben im Haushalt verantwortlich. Die Autorinnen heben in ihrem Buch hervor, dass das nicht den Rückfall in eine traditionellen Rollenverteilung bedeutet, sondern dass diese Rollenverteilung nie aufgebrochen war.

Der Vorwurf an Frauen, die zu Hause bleiben und es sich dort nur bequem machen wollen, lassen die beiden Autorinnen nicht gelten. „Die Vorwürfe würdigen Arbeiten herab, ohne die die menschliche Existenz nicht denkbar ist: Fürsorge, Kümmern, Hausarbeit.“ 

Es ist keine Lösung, die Entscheidung zur Fürsorge-Arbeit mit gängigen Geschlechterstereotypen zu erklären. Es wird Zeit, diese Arbeit als ARBEIT anzuerkennen und nicht die Lebensentwürfe von Frauen und Männern zu optimieren. Im Buch heißt es:

„Die Hierarchie zwischen den Geschlechtern ist nicht durch den Unterschied zwischen ihnen entstanden, sondern durch die immer noch existierende Bewertung dieser Unterschiede!“

Die Kümmerfalle
Die Ansprüche an Frauen und vor allem an Mütter sind sehr hoch und werden als selbstverständlich erwartet. Mütter sind die, auf die sich alle verlassen. Ihre Fürsorge-Arbeit kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Im Moment „frisst der Neoliberalismus seine Töchter“, heißt es im Buch, denn die Fürsorge-Arbeit ist ein blinder Fleck der Politik. Niemand muss für unbezahlte Fürsorge-Arbeit aufkommen – weder Partner*innen, noch Arbeitgebende oder der Staat. Dabei sollten alle Tätigkeiten als gleichwertiges Wirtschaften begriffen und bewertet werden. Dann würde sich auch die geschlechtliche Prägung der Ökonomie auflösen. Wenn egal ist, wer welche Arbeit übernimmt, wäre die Care-Krise schon viel länger ein viel größeres Thema.

Schöner leben mit Feminismus oder Zeit für das weibliche Prinzip
Ohne Paradigmenwechsel kann die Care-Krise nicht gelöst werden: Nachhaltigkeit und Qualität statt Geschwindigkeit und Masse sind Werte, die wir in unserer Gesellschaft in Zukunft brauchen. Denn das heutige Wirtschaftssystem beruht auf Auslagerung der Kosten für Care-Arbeit und sämtliche Naturressourcen, um Profitraten ins Unendliche zu steigern.

Fürsorglichkeit, Zärtlichkeit, Einfühlungsvermögen sind Prinzipien, die definitiv nicht weiblich gelesenen Personen vorbehalten sind. Wir brauchen das Prinzip der Zuwendung, des Zuhörens, des Integrierens und realen politischen Wandel in diese Richtung, um die bestehende Hierarchie zwischen den Geschlechtern zu überwinden. Denn die ist nicht zukunftstauglich. Wir brauchen außerdem mehr kommunale und politische Verantwortung, damit Fürsorgende nicht die Verlierer*innen dieses Systems bleiben. Wir brauchen ein strukturelles Unterstützungssystem, damit Frauen zum Überleben nicht auf ihr persönliches Umfeld und Glück angewiesen sind. Wir brauchen Feminismus für alle für ein gutes Leben in einer fairen Welt.

Wir werden hierzu im Gespräch bleiben!

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