Ansicht des Zoom-Gesprächs

Paula Panke

Die Corona-Pandemie – eine Krise der Frauen?

Ein Gespräch mit Dr. Sabine Hübgen, Lisa Braun und Lilly Granitz über die
Belastung von Müttern und vor allem Alleinerziehenden in der Pandemie
 
Sind Mütter – und vor allem die alleinerziehenden – die Reservearmee des
öffentlichen Bildungssystems? Diesen Eindruck hinterließen die letzten Monate
der Pandemie. Und er ist nicht unbegründet, wie in unserem Online-Gespräch
über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Frauen am 13. Januar 2022
deutlich wurde. Das Gespräch mit Dr. Sabine Hübgen, Lisa Braun und Lilly Granitz
ist hier in unserem YouTube-Kanal zu sehen. 
Sabine Hübgen ist inzwischen Leiterin der Geschäftsstelle der Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Zuvor hat sie als Wissenschaftlerin an der Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) von 2020/21 mitgearbeitet, die der Berliner Senat in Auftrag gab: „Die Auswirkungen
von COVID-19 auf die wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen in Berlin“.
 
Lisa Braun arbeitet bei der Koordinierungsstelle Alleinerziehende Pankow von
 
Lilly Granitz ist Projektleiterin für Gruppenangebote im Frauenzentrum Paula
Panke e.V. und berät auch alleinerziehende Mütter.
 
Moderiert wurde das Gespräch von Nadja Bungard, bei Paula Panke e.V. verantwortlich für Programm und Öffentlichkeitsarbeit.
 
 

Sind Mütter die Reservearmee des öffentlichen Bildungssystems?

In der Studie des WZB wird die Dreifachbelastung der Mütter in der Corona-Krise
durch Care Arbeit, Home-Office und Home-Schooling beschrieben. Mütter würden
so zur Reservearmee des öffentlichen Bildungssystems gemacht, heißt es in der
Studie.
 
Was das im Einzelnen heißt, erzählt Lisa Braun vom Alleinerziehenden-Netzwerk
SHIA: Es gab in der Pandemie viele Anfragen nach Notbetreuung für Kinder, was
als neue Anforderung in der Beratung auftrat. Zudem stieg der Bedarf nach
Sozialhilfe durch die zusätzlichen Kosten beispielsweise für digitale Endgeräte,
diverse Hygieneartikel oder zusätzliches Essen, das sonst in Kitas und Schulen
ausgegeben wurde.
 
Kontaktbeschränkungen erschwerten im Lockdown den Kontakt zum anderen
Elternteil. Transferleistungen, Kurzarbeitergeld, der Verlust des Arbeitsplatzes
oder weil Hilfen vor allem bei soloselbständigen Müttern nicht gegriffen haben,
führten vermehrt zu Existenzängsten. Eltern in systemrelevanten Berufen waren
in dieser Situation überdurchschnittlich belastet, weil sie mehr gearbeitet haben
und zusätzlich die Betreuung der Kinder unsicherer war. Viele Eltern wurden in
der Pandemie sogar so gut wie unsichtbar, weil sie keine digitalen Endgeräte
besaßen und deshalb schwieriger zu erreichen waren oder weil sie einfach keine
Kinderbetreuung hatten.
 
 

Alleinerziehende besonders von sozialer Ungleichheit betroffen

Die Forschung sieht einen deutlichen Zusammenhang von sozialer Ungleichheit
und dem Status alleinerziehend zu sein: Im Durchschnitt ist es für Frauen, die von
Armut betroffen sind oder einen geringeren formalen Bildungsstand haben
wahrscheinlicher alleinerziehend zu werden.
 
Die große Mehrheit der Alleinerziehenden lebte bis zur Trennung in einer
Paarbeziehung. Bereits hier trugen die meisten Frauen ein verdecktes
Armutsrisiko. Denn noch immer greift die geschlechterspezifische Aufteilung der
Arbeit. Frauen stecken im Beruf häufiger als Männer zurück, um unbezahlte
Familienarbeit zu leisten. In der Pandemie hat sich die Situation noch einmal
verstärkt.
 

Perspektiven und Forderungen

Ein Ergebnis der Studie zeigt auch, dass es durch die Pandemie mehr
Aufmerksamkeit für diese Missstände gab. Leider ist das inzwischen wieder aus
dem Blick geraten.
 
Das Problem ist: wenn Menschen schon als Kinder soziale Ungleichheiten oder
Benachteiligung erleben, werden sie in ihrem weiteren Leben wahrscheinlich
mehr soziale Benachteiligung erfahren. Gerade in der Armutsprävention ist es
wichtig, hier so früh wie möglich anzusetzen. Wir müssen als Gesellschaft zudem
unseren Blick für weitere Ursachen von Ungleichheit wie BeHinderung,
Migrationsgeschichte, Race, Geschlecht, Klasse oder Queerness weiten und auch hier für mehr Gerechtigkeit sorgen.
 
Was Eltern und Alleinerziehende brauchen:
 
  • eine verlässliche Kinderbetreuung,
  • besser koordinierte Angebote vor Ort
  • ein sicheres regelfinanziertes Hilfesystem, das niedrigschwellig Beratung
  • und Unterstützung anbietet.
 

Beratung und Hilfe für Eltern + Alleinerziehende:

Soforthilfe