NOPE & YES - Was ich fühl, zählt! Foto: Paula Panke

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NOPE & YES – Workshop zur sexuellen Bildung

Von Bienen, Blumen und darüber hinaus – was heute sexuelle Bildung bedeutet

Am 18. August wird unsere Sozialarbeiterin Lara zusammen mit ihren Kolleginnen Lulu und Sandrin einen Workshop zum Thema sexuelle Bildung für junge FLINTA*s bei uns im Frauenladen geben. Lara ist nicht nur Sozialarbeiterin, sondern auch Sexualpädagogin. Ich hab mit ihr gesprochen und nachgefragt: Was soll sexuelle Bildung sein? Wie sollen dieser und zukünftige Workshops aussehen? Und was hat sexuelle Bildung mit Feminismus zu tun? Lest mehr von unserem Gespräch hier:

Sexuelle Bildung – mehr als nur Aufklärung

Die meisten von uns wurden irgendwann aufgeklärt. Entweder in der Familie oder in der Schule wurde erklärt, welche Periodenprodukte es gibt, wie man ein Kondom benutzt und wie Geschlechtsverkehr im heteronormativen Sinne aussieht. Und das Wichtigste – welche Folgen dieser haben kann. Der Rest ist oft „learning by doing“. Offene Gespräche über Sex und Sexualität finden bestenfalls im Freundeskreis statt. Insgesamt bleibt Sex und Sexualität jedoch ein gesellschaftliches Tabuthema.

Im Austausch mit Lara habe ich gelernt: Sexuelle Bildung ist mehr als ein einmaliges aufklärendes Gespräch. Sie ist ein lebenslanger Lernprozess, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich Wissen und Kompetenzen (auch selbst) aneignen, um zur sexuellen Selbstbestimmung zu finden.

In den Workshops schaffen die drei Sozialarbeiterinnen dafür einen sicheren Raum für FLINTA*-Personen, in dem offen und ohne Tabus gesprochen werden kann. Im August wollen sie jungen FLINTA*s zeigen: Sexualität kann Spaß machen. Es soll um Lust, Selbstbefriedigung, Dating, Verliebtsein, Grenzen setzen, Erste Male, Verhütung, Menstruation, PMS und vieles mehr gehen. Allen Themen nähern sie sich methodisch und spielerisch, und es bleibt viel Raum für offene Fragen.

Sexuelle Bildung: Nur, wer seine Rechte kennt, kann sie einfordern

In Zukunft sollen auch weitere Zielgruppen angesprochen werden. Lara denkt dabei an ein Angebot für von Gewalt betroffene Mütter. Diese sollen bestärkend begleitet und Sexualität bei ihnen wieder positiv (sexpositiv) besetzt werden. Ein wichtiges Thema ist die Wissensvermittlung über sexuelle und reproduktive Rechte. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann sie einfordern und Verletzungen erkennen. Mit dem Muttersein kommen zudem besondere Fragen auf: Wie vermittle ich meinem Kind Informationen? Wie und wann kläre ich mein Kind auf?

Ein weiteres mögliches Angebot richtet sich an von Gewalt (mit)betroffene Kinder und Jugendliche. Ziel ist es, dass sie Vertrauen aufbauen und in einem sicheren Raum ihre Gefühle ausdrücken können. So sollen sie gestärkt und ermutigt werden, bei Bedarf Hilfe zu suchen, und altersgerecht für Konsens und gegen sexuelle Gewalt sensibilisiert werden.

Die politische Dimension von sexueller Bildung

Sexuelle Bildung ist mehr als Wissen über Körper und Verhütung – sie ist auch politisch. Lara betont, dass es wichtig ist, den ganzen Menschen mit all seinen Facetten und Hintergründen anzuschauen. Sexuelle Bildung ist geprägt durch gesellschaftliche und politische Diskurse und fordert deshalb eine kritische Auseinandersetzung.

Bis heute ist Aufklärung in der Schule meist Teil des Biologieunterrichts. Lehrmittel zeigen oft einen normschönen Körper und vermitteln ein männlich geprägtes Bild von Sexualität. Trans-, inter- oder non-binäre Personen werden kaum repräsentiert. Wie Sexualität außerhalb der heteronormativen Welt aussehen kann, wird selten thematisiert – und übersteigt häufig die Kompetenzen der Lehrkräfte.

Lara findet es deshalb wichtig, dass Schulen verstärkt mit ausgebildeten Sexualpädagog*innen zusammenarbeiten. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt muss anerkannt, abgebildet und angesprochen werden. Ebenso wichtig ist es, eigene Grenzen kennenzulernen, zu kommunizieren und die Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren.

In einer Zeit, in der sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt zunimmt, wird sexuelle Bildung besonders bedeutsam. Sie sensibilisiert und wirkt so präventiv gegen Gewalt.

Sexuelle Bildung als Weg zur Selbstbestimmtheit

Als feministisches Zentrum liegt dieser Workshop uns besonders am Herzen, denn sexuelle Bildung ist feministisch! Sie unterstützt zentrale Anliegen des Feminismus: Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Körperautonomie und den Abbau patriarchaler Machtverhältnisse.

In einer Zeit, in der sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt zunimmt, wird sexuelle Bildung besonders bedeutsam. Sie sensibilisiert und wirkt so präventiv gegen Gewalt:

Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung

Feministische Bewegungen setzen sich dafür ein, dass Menschen – insbesondere Frauen /TINA* und marginalisierte Gruppen – selbst über ihren Körper und ihre Sexualität bestimmen können.
Sexuelle Bildung vermittelt Wissen über Körper, Lust, Grenzen, Einvernehmlichkeit, so dass Menschen selbstbestimmte Entscheidungen treffen können.

Aufbrechen von Geschlechterrollen

Traditionelle Vorstellungen von „männlich“ und „weiblich“ sind oft Grundlage für Ungleichheit. Feministische sexuelle Bildung hinterfragt diese Rollenbilder und zeigt, dass es mehr als zwei Geschlechter und viele Formen von Sexualität gibt.

Thema Gewalt & Konsens

Ein zentraler Aspekt feministischer Arbeit ist der Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Sexuelle Bildung vermittelt, was Zustimmung (Konsens) bedeutet, wie man Grenzen setzt und erkennt, und wie man Hilfe findet.

Empowerment statt Scham

Frauen und queere Menschen wurden historisch oft beschämt oder kontrolliert, wenn es um ihre Sexualität ging. Feministische sexuelle Bildung schafft Räume für positive, lustvolle, offene Gespräche – ohne Tabus.

Zugang zu Verhütung & reprodutiven Rechten

Feminismus kämpft dafür, dass Menschen selbst entscheiden können, ob, wann und wie sie Kinder bekommen wollen.
Sexuelle Bildung erklärt, wie Verhütung funktioniert und was reproduktive Rechte bedeuten – auch im Kampf gegen Diskriminierung im Gesundheitssystem.

Intersektionale Perspektiven

Feministische sexuelle Bildung berücksichtigt, dass Diskriminierung nicht nur über Geschlecht funktioniert, sondern auch über Herkunft, Klasse, Behinderung, Religion oder sexuelle Orientierung.

Sexuelle Bildung ist auch immer antifaschistisch

Faschistische Ideologien stützen sich häufig auf das Patriarchat, Heteronormativität und Rassismus. Sexuelle Bildung hinterfragt genau diese Strukturen, etwa durch Themen wie Gleichberechtigung, Anti-Rassismus und intersektionale Perspektiven. Sexuelle Bildung ist antifaschistisch, weil sie Freiheit statt Unterdrückung, Vielfalt statt Einheitsideologie und Selbstbestimmung statt Kontrolle fördert. Sie ist ein aktiver Beitrag zur Stärkung einer demokratischen, solidarischen und inklusiven Gesellschaft.

Wir planen zukünftig öfter Veranstaltungen mit Lara zum Thema sexuelle Bildung zu gestalten und hoffen, dass sich eine Gruppe daraus entwickelt. Kommt gerne vorbei und lasst uns loud, proud & unapologetic sein!

Text: Wynona Peukert

Soforthilfe