Eröffnung unserer neuen Bildungsreihe mit Fikri Anıl Altıntaş , Foto: Maria Schöning, Paula Panke

Eröffnung unserer neuen Bildungsreihe mit Fikri Anıl Altıntaş , Foto: Maria Schöning, Paula Panke

Feministisch widerstehen! – Unser Gespräch mit Fikri Anıl Altıntaş

Am 12. September 2025 feierten wir unser großes Doppeljubiläum: 35 Jahre Frauenzentrum Paula Panke e.V. und 20 Jahre Frauenladen Paula in Berlin-Weißensee. Gemeinsam blickten wir auf vergangene Jahre zurück, sprachen über die aktuelle gesellschaftliche Situation und diskutierten Themen, die uns bewegen.

Ein Höhepunkt des Programms war das Gespräch mit HeForShe-Botschafter Fikri Anıl Altıntaş über den gesellschaftlichen Backlash. Anıl ist Autor und politischer Aktivist. Er beschäftigt sich mit Männlichkeitsbildern, Antifeminismus und der Dekonstruktion von muslimisch gelesenen Männlichkeiten. Im Gespräch mit Nadja Bungard erzählte er von seiner Arbeit für HeForShe, seiner politischen Bildungsarbeit an Schulen, von der sogenannten toxischen Männlichkeit – und davon, was feministischer Widerstand heute bedeutet.

HeForShe – eine Solidaritätsbewegung von UN Women

HeForShe wurde 2014 als eine Solidaritätsbewegung von UN Women ins Leben gerufen und vereint weltweit etwa 2 Millionen Aktivist*innen. Fikri Anıl Altıntaş ist ehrenamtlich als HeForShe-Botschafter für Deutschland unterwegs. Gemeinsam mit anderen Botschafterkollegen nutzt er seine Expertise in verschiedenen Formaten, um für Gleichstellung zu sensibilisieren und insbesondere Männer zum feministischen Kampf zu motivieren. (Quelle: https://unwomen.de/heforshe/ ,17.10.2025 13:43)

Doch wie ist Anıl überhaupt zum Feministen geworden? Seine Antwort auf die Frage ist erstaunlich ehrlich. Eine Freundin habe ihn auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht. Diese Konfrontation brachte ihn dazu, sich intensiver mit dem Patriarchat auseinanderzusetzen. Er begann, über Feminismus zu lernen – und fand Begriffe für einen gesellschaftlichen Druck, den er schon lange spürte, aber nicht klar benennen konnte.

Für Anıl ist klar: Kritische Männlichkeit zu lebe ist ein fortlaufender Prozess. Es reiche nicht aus sich einmalig mit Feminismus zu befassen und sich dann als Feminist zu bezeichnen. Männer müssten kontinuierlich ihr eigenes Verhalten und das ihrer Freunde hinterfragen.

Vorbilder – Anıls Arbeit mit Schüler*innen

Ein Teil von Anıls Engagement ist politische Bildungsarbeit. Dabei spricht er mit Schüler*innen nicht nur über Feminismus, sondern erreicht sie mit Themen, die sie wirklich bewegen. Es sei entscheidend, Jugendliche nicht zu verurteilen, sondern sie dort abzuholen, wo sie stehen.

Oft beginnt Anıl mit der Frage nach Vorbildern: Warum nehmen so viele Jungs den Fußballer Cristiano Ronaldo als Vorbild? Was macht ihn bewundernswert – und wo sollte man ihn kritisch hinterfragen? Ronaldo steht für Disziplin, gesunde Ernährung und sportlichen Erfolg. Gleichzeitig wurde er mit schweren Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert, die außergerichtlich beigelegt wurden. (Quelle: https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/cristiano-ronaldos-anwaelte-bestaetigen-zahlung-an-klaegerin-16344025.html , 17.10.2025 14:22)

Das Gespräch über Vorbilder und Familienbilder eröffnet Raum, um über Werte, Verantwortung und Rollenbilder zu sprechen. Es ermöglicht Jugendlichen, eigene und fremde Schmerzpunkte zu erkennen.
Erfolgreich ist ein Workshop für Anıl, wenn die Teilnehmenden nachdenklich werden – oder einfach dankbar für den offenen Austausch sind. Leider wird diese Form der Präventionsarbeit von der Politik noch immer unterschätzt – anstatt präventive Bildungsarbeit zu fördern, setzt man häufig auf Maßnahmen, die lediglich weitere Taten verhindern sollen, etwa die elektronische Fußfessel.

Nur einige Tage nach unserem Gespräch mit Anıl schockiert Markus Söder (CSU) in der FAZ mit folgender Aussage:

„Ohne Auto, Maschinenbau und Chemie ist Deutschland eine Dame ohne Unterleib.“

(Quelle: https://www.radioeins.de/programm/sendungen/modo1619/wissen_denken_meinen/jenni-zylka-dame-ohne-unterleib-csu_markus-soeder-shitstorm.html ,23.10.2025 15:42)

Diese Aussage reproduziert sexistische Narrative, indem sie Frauen auf ihren Unterleib – genauer: auf ihren Uterus – reduziert. Sie greift antifeministische Erzählungen auf, wonach die Lebensaufgabe einer Frau sich auf das Kinderkriegen fokussiert. Damit fügt sie sich in ein politisches Klima ein, das sich zunehmend von Diversität und Gleichstellungspolitik entfernt – hin zu klaren Geschlechterhierarchien und traditionellen Rollenbildern.

Feministisch widerstehen!

Anıl betont, dass es notwendig sei, eine feministische Gegenöffentlichkeit aufzubauen. Wir müssen zeigen, dass feministische Perspektiven die besseren Antworten für alle bieten – auch für Männer, die unter den Zwängen des Patriarchats leiden. Es braucht niedrigschwellige, leicht verständliche Angebote und solidarische Netzwerke.

Feministischer Widerstand bedeutet auch, Druck auf die Politik auszuüben. Aussagen wie die von Markus Söder dürfen nicht unkommentiert bleiben. Ebenso gefährlich ist es, wenn Politiker*innen wie Giorgia Meloni oder Friedrich Merz vermeintlich feministische Argumente missbrauchen, um rassistische Positionen zu legitimieren. Wir dürfen das nicht einfach hinnehmen. Wenn du die Möglichkeit hast: Geh auf Demonstrationen, beteilige dich, vernetze dich.

Doch feministischer Widerstand beginnt auch im Alltag. Es ist wichtig, dass wir auch außerhalb unserer Blase diskutieren. Wir müssen lernen zu intervenieren, wenn wir Sexismus, Diskriminierung oder antifeministische Aussagen erleben. Anıl ist selbst ein gutes Beispiel dafür, wie viel es bewirken kann, wenn man von Freund*innen kritisch hinterfragt wird. Auch im kleinen Kreis kann bereits viel erreicht werden.

Eine feministische Gegenöffentlichkeit zu schaffen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für das, was wir sagen, und für das, was wir schweigend hinnhemen. Der erste Schritt ist, sich zu reflektieren, anderen zuzuhören und gemeinsam neue Wege zu denken.

Feministisch widerstehen – das bedeutet, mutig zu bleiben, solidarisch zu handeln und die eigene Haltung immer wieder neu zu überprüfen. Dafür steht unsere neue Bildungsreihe und ihr seid alle aufgefordert, Ideen einzubringen und euch zu beteiligen.

Text: Wynona Peukert

Soforthilfe