Regenbogenflaggen und Neutralität - ein Widerspruch? Foto: Paula Panke

Regenbogenflaggen und Neutralität - ein Widerspruch? Foto: Paula Panke

Regenbogenflagge und Neutralität – ein Widerspruch?

Die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner ist in den letzten Wochen vermehrt mit Äußerungen und Handlungen aufgefallen, die sich eindeutig gegen die Sichtbarkeit queeren Lebens richten. Gerade in Zeiten in denen wir einen zunehmenden gesellschaftlichen Backlash erleben – einen Rückschritt, der sich klar gegen Gleichstellung, Selbstbestimmung und die Sicherheit queerer Menschen richtet – ist eine solche Haltung nicht nur enttäuschend, sondern gefährlich. Wir können und wollen das nicht hinnehmen. Wir werden es nicht unkommentiert lassen und stellen uns gemeinsam und solidarisch dagegen.

Was ist passiert?

Mitte Mai kündigt Julia Klöckner an, keine Regenbogenflagge zum Berliner Christopher Street Day zu hissen. Die Veranstaltung habe zwar seine Berechtigung auf den Straßen, benötige jedoch nicht die zusätzliche Beflaggung des Bundestags. Diese Entscheidung wurde in den letzten Wochen bereits zahlreich kritisiert, doch anstatt die Kritik anzunehmen, folgt gleich die nächste Aktion.

Die Bundestagsverwaltung habe entschieden, dass das queere Personal der Bundestagsverwaltung, das sich im sogenannten „Regenbogennetzwerk“ organisiert, nicht am CSD teilnehmen darf. Begründet wurde diese Entscheidung mit der gebotenen Neutralitätspflicht.

Doch wo schränkt queere Sichtbarkeit bitte die Neutralität ein? In Aussagen und Handlungen wie diesen zeichnet sich deutlich ein Kulturkampf ab, der auf dem Rücken queerer Menschen und anderer marginalisierter Gruppen ausgetragen wird. Dabei müssen Rechte queerer Menschen gerade jetzt geschützt und verteidigt werden. Queer-sein ist keine Haltung und keine Entscheidung. Es geht um die Sichtbarkeit von Identitäten und sexuellen Orientierungen. Im Grundsatz ist Queer-sein politisch neutral – immerhin finden wir queere Politiker*innen in allen Parteien. Queere Menschen sind Teil dieser Gesellschaft und das darf und sollte sichtbar gemacht werden.

Solidarität mit und Sichtbarkeit für die queere Community wichtiger denn je

Queerfeindlichkeit nimmt zu. Dem Bundeskriminalamt zur Folge erfasste die Polizei im Jahr 2023 bundesweit rund 17.007 Fälle von Hasskriminalität, davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen Mitglieder der LGBTQIA-plus-Community. (Quelle: Bundesministerium des Innern, letzter Zugriff: 20.06.2025; 14:06)

Auch Pride-Paraden in Deutschland wurden dieses Jahr bereits Opfer von queerfeindlicher und rechter Gewalt, so beispielsweise in Bad Freienwalde. In Regensburg musste ein CSD aufgrund von massiven Drohungen umgeplant werden. In Wernigerode konnte Schlimmeres gerade noch verhindert werden. Ein junger Mann hatte Teilnehmenden der Veranstaltung zuvor mit Waffengewalt gedroht, woraufhin die Polizei seine Wohnung durchsuchte. Munition, zwei Schreckschusswaffen sowie eine Softairwaffe wurden sichergestellt. Auch wenn das nicht die einzige Drohung war, fand der CSD wie geplant statt.

Szenen wie diese zeigen: Solidarität mit und Sichtbarkeit für die queere Community sind wichtiger denn je. Doch die Aussagen und Handlungen des Bundestags zeigen ein anderes Bild. Queer-sein wird zur Privatsache erklärt, Solidarität bleibt aus. Die Regenbogenflagge und der Wagen auf dem Berliner CSD waren ein Zeichen für die Vielfalt in unserer Gesellschaft.

Christopher Street Day und Pride – was bedeutet das eigentlich?

Im Juni ist Pride Month. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 brachen de Stonewall-Aufstände in der Christopher Street, New York aus. Gäst*innen der queeren Bar „Stonewall Inn“ wehrten sich gegen die Polizei und die durchgeführten Razzien auf queere Bars und Treffpunkte. Drag Queens, trans Personen, Lesben und Schwule widersetzten sich gegen Unterdrückung und traten – erstmalig in diesem Ausmaß – für ihre Rechte ein.

Die Stonewall-Proteste markieren einen Wendepunkt in der Geschichte der LGBTQIA+ Bewegung. Aus diesen Protesten entwickelten sich die Pride-Paraden und Christopher Street Day’s, die wir heute kennen.
Pride ist mehr als Regenbogenfahnen und Paraden. Es geht um Sichtbarkeit, Gleichberechtigung, Gemeinschaft und die Freiheit man selbst zu sein. Es geht darum, auf Diskriminierung aufmerksam zu machen und die Vielfalt unserer Gesellschaft zu feiern.

Pride ist eine Form des Gegenhaltens und des Protests

In Zeiten des Backlashes und zunehmenden rechten und queerfeindlichen Strömungen ist es wichtig Präsenz zu zeigen, vor allem dann, wenn staatliche Institutionen dies nicht mehr tun. Am 26.07.2025 findet der große Christopher Street Day in Berlin statt und wir laden ein teilzunehmen – ob als Teil der Community oder als Ally (Unterstützer*in).

Text: Wynona Peukert

Soforthilfe