Bild: Paula Panke

Feministische Perspektiven auf Fleischkonsum – mit Lea Marignoni

Ein Text von Lilly Haus

Wie wir uns ernähren, wird von vielen als eine private und individuelle Entscheidung angesehen. Aber was ist, wenn unsere Ernährungsweise massiv natürliche Lebensräume und Ökosysteme zerstört? Und was hat das eigentlich mit Geschlechterrollen und Männlichkeit zu tun? Lea Marignoni vom feministischen Bildungsverein fembi e.V., hat uns in ihrem Vortrag spannende Antworten auf diese Fragen geliefert.

Verknüpfung von Fleischkonsum mit „Männlichkeit“

Auch wenn Diskussionen um Tierrechte und Veganismus immer lauter werden, steigt der weltweite Konsum an Tierprodukten stätig an. In Deutschland essen die Menschen im Schnitt 52kg Fleisch im Jahr – das ist drei bis viermal so viel wie Umweltforscher*innen für ökologisch verkraftbar halten. Doch im Vergleich zwischen den Geschlechtern wird deutlich: Männern fällt es deutlich schwerer, auf tierische Produkte zu verzichten. Etwa 70 Prozent der Veganer*innen in Deutschland sind Frauen, und Männer essen im Schnitt doppelt so viel Fleisch wie Frauen. Aber woran liegt das?

Lea Marignoni macht deutlich, dass die Verknüpfung von Geschlecht und Fleischkonsum bis tief in die Geschichte reicht: Tierische Produkte essen zu können war früher vor allem ein Privileg, was den wohlhabenderen Menschen vorbehalten war, also sowohl eine Klassen- als auch eine Geschlechterfrage. Ab dem 19. Jh. wurde der Verzehr von Fleisch durch pseudo-wissenschaftliche Herleitungen als notwendige Voraussetzung für Muskelwachstum und männliche Stärke dargestellt. So wurden auch während dem 1. und 2. Weltkrieg knappe Fleischrationen den männlichen Soldaten vorbehalten.

Fleisch = Muskeln = Macht

Historisch hat sich die Assoziation verfestigt, dass das Erlegen und Essen von Tieren an Macht gekoppelt ist. Dem Konsum von Fleisch liegt der symbolische Akt der Dominanz über Tiere und Natur zugrunde, über die sich der Mann erhebt und davon abgrenzt.

Der Aberglaube, dass ein hoher Fleischkonsum auch zu einem schnelleren Muskelwachstum führt, hat sich bis heute gehalten. In Werbungen, Büchern, Filmen und Zeitschriften wird nach wie vor an das Bild eines vermeintlich unzähmbaren, jagenden, starken und Fleisch essenden Mannes angeknüpft. Dieses Symbolbild der „ursprünglichen Männlichkeit“ wird medial auch immer wieder als Kontrast oder Widerstand gegen eine selbst hinterfragende Geschlechternorm stilisiert.

Sexismus und Speziesismus

In der Diskriminierung aufgrund der Spezies (Speziesismus), die Tiere erfahren, sieht Lea Marignoni Parallelen zur Funktionsweise von Sexismus. So werden auch Tiere objektifiziert und zum vermeintlichen Eigentum gemacht, das die machtvolle Position des Männlichen in einer Sozialen Ordnung verfestigt. Auch wenn die jeweiligen Ausprägungen sehr unterschiedlich sind wird deutlich, dass Tiere ebenso wie FLINTA* die Selbstbestimmung über ihre Körper genommen wird.

Intersektionale Perspektive auf Klimakriese, Feminismus und Tierrechte

Klimaforscher*innen bestätigen, dass bis zu 15 Prozent der Treibhausemissionen durch den Fleischkonsum zu Stande kommen. Die verheerenden Folgen des weltweit steigenden Fleischkonsums sind also nicht zu leugnen. Unter anderem stehen ein enormer Wasserverbrauch und Waldrodung für Futterproduktion, sowie hohe C02- und Methan-Emissionen im Zusammenhang mit massenhafter Viehzucht. Im Hinblick auf die vergeschlechtlichte Dimension des Konsums von tierischen Produkten wird deutlich, dass die Ursachen und Folgen der Klimakrise auch aus einer feministischen Perspektive intersektional betrachtet werden müssen.

 

Wir danken Lea Marignoni für diesen spannenden Vortrag, der uns neue Perspektiven eröffnet hat. Wenn ihr euch tiefergehend mit dem Thema auseinandersetzen wollt, schaut doch mal in den neu erschienenen Sammelband „Queere Tiere – Queere Perspektiven auf Veganismus und das Mensch-Tier-verhältnis“, in dem Lea Marignoni auch einen Aufsatz zu einer geschltechtersensible Perspektive auf Fleischkonsum veröffentlicht hat.

Lea Marignoni bei Paua Panke. Foto: Privat
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