Paula Talk: Mode & Geschlecht mit Prof. Antonella Giannone, Sophie Rauscher und Isabelle Merten

Foto: Paula Panke

Queere Perspektiven auf Mode und Geschlecht

Paula Talk zur aktuellen Ausstellung „Styleneid“ des Missy Magzines

von Kathi Pitzius

Zum Auftakt unserer Reihe „Pankow ist Queer“ am 17.06.2021 sprachen wir darüber wie Identität und Geschlechterrollen sich in der Modewelt abbilden und wie queere Menschen sich hier positionieren.

Zu Gast beim Paula Talk waren:

  • Isabelle Merten – Gründerin des Modelabels androwear
  • Prof. Dr. Antonella Giannano – Professorin für Modetheorie und –geschichte
  • Sophie Rauscher – Journalistin und Podcasterin von „trans sein“

Welche Bedeutung hat Mode? 

Darüber sprachen wir auf wissenschaftlicher und analytischer Ebene, aber auch auf alltäglicher Ebene. Denn unsere eingeladenen Teilnehmerinnen der Talk-Runde beschäftigen sich nicht nur teils beruflich mit dem Thema, sondern haben auch einen persönlichen Bezug zu Mode.

Wir alle haben Körper und kommen somit auch zwangsläufig mit Bekleidung in Kontakt. Im Gespräch wurde deutlich, dass Mode nicht nur etwas Alltägliches ist, sondern auch unsere Identität nach außen trägt. Dies ist in einer cis-hetero-normativen Welt besonders für queere Menschen von Bedeutung. Mode wird häufig als Zeichen von Geschlecht gelesen, spielt also nicht nur bei Konsumentscheidungen, sondern auch bei (geschlechtlicher) Identität eine Rolle. Sie setzt diverse Körper-, Geschlechter- und Schönheitsnormen fest, kann diese gleichzeitig aber auch aufbrechen.

Binarität und Mode

Im Gespräch setzen sich die Gästinnen mit den binären Eigenschaften von Mode auseinander. Dabei wird klar, dass die gängige Mode die binäre Teilung einerseits reproduziert, sich also an den bereits vorhandenen (binären) gesellschaftlichen Strukturen orientiert. Andererseits produziert Mode, wie wir sie bisher überwiegend kennen das duale Geschlechtersystem. Prof. Dr. Antonella Giannano betont, dass es aber auch schon immer andere Räume gab, in der Mode die Binarität auch in Frage gestellt hat.

Sophie Rauscher erzählt, dass diese binäre Einteilung von Mode und Aussehen und die Erwartungshaltungen, die Menschen an trans Frauen haben „weiblich“ auszusehen Druck auf trans Personen und nicht binäre Personen ausübt. Gleichzeitig bieten die binäre Teilung und die klaren Vorstellungen von „weiblicher/männlicher“ Mode eine Art Chance bieten die eigene Identität für andere sichtbar nach außen zu tragen. Trotzdem sage die Kleidung natürlich nichts über die eigentliche geschlechtliche Identität der betreffenden Person* aussagt.

Mode und Geschlecht befreien: De-gendering Fashion

Zurzeit wird Mode vor allem binär ausgelebt, wodurch sich Herausforderungen für queere Personen ergeben, Kleidung zu finden, die ihnen passt und außerdem nicht nach den üblichen Stereotypen ein Geschlecht unterstreicht. Die Inszenierung der eigenen Person durch Kleidung wird also zwangsläufig mit dem Geschlecht verknüpft.  Isabelle Merten betont, dass selbst an cis Personen keine Erwartungen herrschen sollten sich „gender-konform“ zu kleiden. Kleidung sollte anatomisch passen, aber nicht mit Stereotypen unser Geschlecht ausdrücken. Sie steht mit ihrer Marke androwear für den Ansatz des De-gendering Fashion, also das Befreien der Mode von Gender und Geschlecht. Mode sollte nach verschiedenen Körperformen entworfen werden und nicht nach vermeintlichen Geschlechtsunterschieden, dabei ist zu beachten, dass auch cis Körper eines Geschlechtes nicht alle gleich sind. Die drei Referentinnen kommen zu dem Schluss, dass eine gender-neutrale Mode für alle gemacht werden soll, ohne dabei alle gleich machen zu wollen.

Zukunft der Mode

Wie wird und soll Mode in Zukunft aussehen? Auch darüber unterhielten sich unsere Gästinnen. Sie kamen zu dem Schluss, dass Mode wohl weiter unterschiedliche Richtungen einschlagen wird: von konservativ bis gender-fluid. Den Wünschen der drei nach sollte sie jedoch ermöglichen, dass sich niemand mehr nach (Geschlechter-) Normen und Regeln kleiden muss. So soll sie politischer werden, so dass sie die binäre Logik unserer Kleiderordnung provoziert und kohärenter mit der Vermarktung einhergeht. Nachhaltigkeit und Diversity sollen Teil der Mode werden und nicht nur Aushängeschild für bessere Verkaufszahlen sein.  Außerdem besteht der Wunsch, dass sich alle so kleiden dürfen wie sie wollen ohne, dass ihnen ihre Geschlechtsidentität oder ihre Coolness abgesprochen wird, wenn sie nicht die teuersten und angesagtesten Klamotten tragen. Es bedarf einer „Mittelmäßigkeit, die erlaubt sein sollte“.

Diese Veranstaltung ist Teil der Reihe “Pankow ist Queer!” Gefördert im Rahmen der Umsetzung der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV) durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung / Landesantidiskriminierungsstelle.

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