Nachbarschaftsgespräch Stille Straße 10 mit OWEN e.V.

Nachbarschaftsgespräch Stille Straße 10 mit OWEN e.V., Bild: PaulaPanke

Nachbarschaftsgespräch:
40 Jahre für den Frieden in Deutschland und Russland

Das Haus der Begegnungsstätte Stille Straße 10 wirkt einladend und ruhig. Wenig deutet auf seine besondere Geschichte hin als Wohnort von DDR-Oberen im „Städtchen“, später Stützpunkt der Staatssicherheit der DDR und seit der politischen Wende 1990 Ort selbstorganisierter nachbarschaftlicher Begegnung von Senior*innen. 2012 wurde das stille Haus in der Stille Straße 10 weltweit bekannt wegen seiner widerständigen Senior*innen, die den Schlüssel für das Haus nicht abgegeben haben und ihre Gemeinschaft verteidigten – bis heute. 

40 Jahre gemeinsame Arbeit für den Frieden

Keinen besseren Ort kann es geben für unser 3. Nachbarschaftsgespräch am 20. Januar 2023 mit OWEN e.V., der Mobilen Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung. Sie haben zwei ihrer langjährigen Mitstreiterinnen eingeladen über 40 Jahre gemeinsame Arbeit für den Frieden zu sprechen: Dr. Marina Grasse, erste und einzige Gleichstellungsbeauftragte der frei gewählten DDR-Regierung 1990, Aktivistin der Friedenskirche in Pankow und Mitgründerin von OWEN e.V. sowie Irina Kusnezova* (Name geändert). Irina ist Gründerin einer Vereinigung für Frauen, die sich seit Jahrzeiten für Frieden und Dialog einsetzen. Seit März 2022 muss sie in Deutschland leben.

Heute erzählen die beiden Frauen ihre gemeinsame Geschichte, von ihrem Engagement für den Frieden, die Perspektiven auf beide Gesellschaften und die Umbrüche der letzten Jahrzehnte. Das Haus in der Stille Straße 10 ist voll. Alle lauschen konzentriert, die Übersetzerin übersetzt simultan russisch und deutsch.

Biografisches Erzählen: Form der Verständigung

Beide Frauen erinnern sich an Episoden aus dem Leben. Das biografische Erzählen ist eine Form der Verständigung, die OWEN e.V. in der Friedensarbeit entwickelt hat und die sich immer wieder bewährt. Es stärkt die Menschen, lässt sie eine eigene Stimme finden. Die verschiedenen Erinnerungen bauen Brücken und lassen Begegnungen von Menschen zu, auch wenn sie verschiedener Meinung sind.

Irina spricht über die Verantwortung, die jede*r für das hat, was passiert. Sie erzählt von ihrem Cousin, der nicht mit seiner Mutter spricht, weil sie nur die russische Propaganda wiederholt. Irina empfahl ihm, seiner Mutter einfach zuzuhören – bis zum Ende. Sie zu fragen, was sie denkt und nicht zu streiten. Das hat er getan. Das Ergebnis in der unnachahmlich poetischen russischen Sprache lautete: Ihre Bilder voneinander waren zerbrochen. Die Vorurteile voneinander waren kaputt gegangen. Der echte Mensch dahinter wurde wieder erkennbar.

Miteinander reden

Miteinander reden, wie das Projekt heißt, in dessen Rahmen das Nachbarschaftsgespräch stattfindet, ist der Schlüssel. Keine passendere Situation als die vom Cousin und seiner Mutter ist denkbar. „Wir haben unsere Eltern verraten“, sagt Irina, „ich spüre meine  Verantwortung dafür“. Sie meint damit, dass ihre Generation die Eltern der russischen Propaganda überlassen hat, nicht mit ihnen gesprochen und ihnen zugehört hat. „Es ist ein schwieriger Weg, sie zurückzugewinnen und nicht weniger wichtig als das, was in der Ukraine passiert.“

Mehr über unseren Kooperationspartner und das Projekt könnt ihr hier lesen: OWEN e.V.

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